Heute arbeiten in Firmen und Institutionen mehr Generationen zusammen als früher. Das birgt Chancen und Risiken, sagt Jutta Rump, Professorin für Betriebswirtschaft an der Hochschule Ludwigshafen.

Ein Beitrag von Bernadette Kurmann, erschienen in der Gazette von curaviva.ch

Ein Arbeitsleben dauert heute durchschnittlich 45 bis 50 Jahre. Im Vergleich zu früher gibt es mehr Generationen, die miteinander arbeiten. «Bei vielen G enerationen am Arbeitsplatz prallen verschiedene Sozialisationsmuster aufeinander», sagt Jutta Rump und verweist auf die unterschiedlichen Werte und Einstellungen, durch die jede Generation in Kindheit und Jugend geprägt wurden. Sie vergleicht die Sozialisation der Babyboomer-Generation mit derjenigen der heutigen Jungen. Hier bestehe ein unglaublicher Unterschied und die Folgen davon, kommen am Arbeitsplatz zusammen. Dazu komme, dass im Arbeitsmarkt junge Menschen knapp sind und die Unternehmen und Institutionen sich auf sie ausrichten und sich ihnen als attraktive Arbeitgeber präsentieren möchten.

Verschiedenartige Menschen
Jutta Rump beschreibt die grosse Gruppe der Baby-Boomer als Generation, die sich hochgedient hat, die sich anpassen musste, als sie jung war. «Sie hat sich ein ganzes Leben lang an denen orientiert, die über ihr und älter waren. Die jüngere Generation habe Wahlmöglichkeiten, sie könne sich aussuchen, wo sie arbeiten möchte. «Diese jungen Menschen sehen nicht ein, warum sie sich unbedingt anpassen müssen. Sie wollen in einen Dialogprozess gehen und mitreden. Das kann am Arbeitsplatz zum Problem werden.»

Denken in Vielfalt
Der Generationen-Mix fordert ein Umdenken, in Unternehmen und Firmen, aber auch in Alters-, Jugend und
Behindertenheimen: Weg vom Denken in Hierarchien, hin zu einem Dialogprozess und einem Denken in der Vielfalt der Generationen: «Eine Führungsperson muss ihren Blick nicht länger nach oben ausrichten, sondern nach unten, nach rechts und nach links. Das heisst nichts anderes, als dass Mitarbeitende und Führungskräfte Abschied nehmen müssen von den traditionellen Zusammenarbeits- und Führungsmodellen.»

Chancen des Generationen-Mix
Jutta Rump betont aber auch die Chance, die der Generationen-Mix am Arbeitsplatz mit sich bringt. Mehrere Generationen brächten unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen ein. Wenn die Zusammenarbeit zwischen den Generationen funktioniere, führe das zu einer Explosion an neuen Ideen und Konzepten – zu Innovation: «Wenn die Jüngern wissen, warum die älteren Kolleginnen und Kollegen so ticken und die Älteren wissen, wie die Jüngeren unterwegs sind, dann steckt in der Zusammenarbeit ein positiver Hebelzug.»

Werte vorleben
Wie kann eine Institution das gegenseitige Verständnis fördern? «Durch Neugierde, Offenheit und Toleranz; und indem sie diese Werte vorlebt», lautet die knappe Antwort. Die Professorin wird ganz praktisch. Sie spricht von Grussworten an Tagungen, in denen das Typische der unterschiedlichen Generationen liebevoll aufs Korn genommen wird. Sie erwähnt Vorträge oder Tagesbesprechungen, an denen die Institution nicht nur den operativen Teil thematisiert, sondern über Institutionsgrenzen hinausschaut: Neues aus der Gesellschaft, Neues aus der Region. Diese Themen werden auch in Rubriken des hausinternen Internets aufgenommen. Beim Essen in der Kantine sind die Tablett-Sets mit gesellschaftlichen Themen bedruckt: Was weisst du über die Generation Y, über die Generation Baby-Boomer? Das Thema sei leichtfüssig und könne im Tagesgeschäft leicht transportiert werden, meint Jutta Rump: «Je interessierter eine Belegschaft an Zusammenhängen der Gesellschaft ist, desto mehr ist sie auch sensibel für das Thema Generationen-Mix.»

Konflikte entschärfen
Das gegenseitige Verständnis am Arbeitsplatz ist nach der Betriebswirtschafterin zwingend auch institutionell zu fördern. So sind die Teams in den Heimen keine zufällige Mischung, sondern bestehen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die gut miteinander arbeiten, aus unterschiedlichen Generationen stammen und die verschiedene Fähigkeiten und Zielsetzungen mit sich bringen. «Das bedeutet, dass die Leitung der Teams die Zusammenhänge im Thema Generationen-Mix kennt. Wenn Konflikte auftauchen, muss sie in der Lage sein, die Hintergründe rasch zu erkennen und entsprechend einzugreifen.»

Konflikte am Arbeitsplatz treten immer auf, davon ist Jutta Rump überzeugt. Ob sie frühzeitig entschärft werden oder nicht, ist abhängig von der Herangehensweise der Beteiligten. Konflikte würden dann eskalieren, wenn die Beteiligten nur den eigenen Blick auf die Dinge hätten und gelten liessen. «Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber verstehen, dass Kolleginnen und Kollegen eine andere Sicht auf die Dinge haben, weil sie anders gross geworden sind, dann ist die Entschärfung eines Konflikts einfacher. Solche Mitarbeitenden sind tolerant und offen und lassen das Andere zu.»

Voneinander wissen
Ein guter Umgang einer Institution mit Vielfalt setzt voraus, dass die Generationen voneinander wissen und dass das je Andere sichtbar gemacht wird. Diese Haltung steht und fällt mit einer Unternehmenskultur, die durch Toleranz, Wertschätzung, Vertrauen, aber auch durch Transparenz und Teilhabe geprägt ist. Jutta Rump: «Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Gefühl haben, beteiligt zu sein an Konzepten und Entscheidungen, wenn sie über Handlungsspielraum verfügen, dann sind sie auch bereit, mit anderen wertschätzend umzugehen.» Die partizipative Führung fördere eine Unternehmenskultur, die durch Wertschätzung, Offenheit und Vertrauen geprägt sei.

 

Jutta Rump

Jutta Rump

Zur Person

Jutta Rump ist Professorin für Betriebswirtschaft an der Hochschule Ludwigshafen und ist Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability.

Literaturhinweis
Generationen-Mix: Gestalten statt verwalten, Jutta Rump, Silke Eilers, Verlag Wissenschaft & Praxis 2015, ISBN – 10 3896736892