Maya Onken - www.maya-onken.ch

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Maya Onken ist Coach, Mutter, Autorin, Zumba-Instruktorin, Ehefrau und Geschäftsführerin. Mit dem Thema Lebensübergänge kennt sie sich privat wie beruflich bestens aus. Im Gespräch mit Maja Hartmann erklärt sie, warum es nie zu spät ist, warum sie keinen misslungenen Lebensübergang kennt und warum man im Leben jede Praline unbedingt gekostet haben sollte — auch die, die man nicht mag.

2. Teil des Interviews. Erster Teil noch nicht gelesen. Den finden Sie hier.

von Maja Hartmann

Wir sind also immer selbst Schuld, wenn wir vor harten Umbrüchen stehen?
Nein. Es gibt auch Krisen, die das Leben schreibt. Denn wir leben in einer oszillierenden Umwelt und können natürlich nicht alles beeinflussen. Aber wenn man versucht, regelmässig Kontakt zu seinem Inneren aufzubauen und zu überprüfen, wie es da drin aussieht, dann kann man eine schlimme Midlifecrisis mit grösster Wahrscheinlichkeit verhindern.

Wer hat Ihrer Erfahrung nach die besseren Strategien im Umgang mit Lebensübergängen, Männer oder Frauen?
Frauen halten auf jeden Fall mehr aus. Sie sind resistenter. Ich erlebe die Frauen als sehr leidensfähig und marathonläuferisch: Sie können auch lange Durststrecken aushalten. Das hängt aber sicher auch damit zusammen, dass viele Frauen nicht den gleichen Handlungsspielraum haben wie Männer; weder finanziell noch energetisch. Und sie sind viel enger eingebunden in die Familiensysteme. Vielleicht passieren bei ihnen darum die Veränderungen meistens viel sanfter. Bei den Männern erlebe ich öfter, dass sie «den Kopf verlieren».

Sie meinen: Männer kaufen dann ein Cabrio und fahren davon?
Naja, manchmal. Darum passt der Begriff Midlifecrisis für mich eher zu Männern. Aber natürlich gibt es auch Männer, die lange in schwierigen Verhältnissen ausharren können und sich schliesslich mit der Situation arrangieren. Die bauen nebenbei vielleicht ein ganz privates Hobby aus oder halten eine kleine Aussenbeziehung aufrecht…

Was würden Sie denen empfehlen?
Ich empfehle sowohl Männern wie auch Frauen, sich zu fragen, was sie eigentlich tun und was sie wollen… Und wenn die beiden Antworten nicht übereinstimmen, höre ich immer wieder folgenden Satz: «Ich kann nicht anders.» Und das ist für mich das Gleiche wie: «Ich will nicht anders!» Das «kann» ist direkt durch das «will» ersetzbar. Und das ist auch legitim! Denn man verändert erst etwas, wenn die Situation nicht mehr aushaltbar ist. Vorher arrangiert man sich damit. Man nimmt keine Risiken auf sich, wenn es nicht zwingend nötig ist. Aber in diesen Fällen kann es auch keine Veränderung geben! Ich will auch gar niemandem vorschlagen, unbedingt sein Leben zu verändern, gar nicht! Es gibt durchaus Situationen, die vielleicht nicht optimal sind, aber okay. Wenn man unter dem Strich zufrieden ist damit, kann man sie auch einfach laufen lassen. Manchmal hat man ja auch das Bedürfnis nach einem unspektakulären Leben. Man kann auch einfach mal zwei, drei Jahre Pause machen. Sich von allen Schocks, Krisen und Veränderungen erholen. Sich einrichten, die Dinge laufen lassen. Das kann sehr sinnvoll sein! Ich nenne diese Phase das «Kompostieren».

Sozusagen einen Tank-Stopp einlegen?
Oder auch eine Routine entwickeln, die energetisch klug ist. Denn die Momente, in denen sich das Leben um einen herum verändert, kommen sowieso wieder. Bei Frauen ist das zum Beispiel, wenn die Kinder grösser werden. Dann kommen sie automatisch in eine neue Lebensphase und müssen sich zwangsläufig neue Fragen stellen. Also auch wenn man den Wunsch hätte, ewig zu kompostieren: Das geht gar nicht.

Wir reden jetzt über gewollte Veränderungen im Leben. Was ist mit denen, die einfach passieren, wie Unfälle oder schwere Krankheiten?
Aus meiner Arbeitserfahrung kann ich sagen, dass auch eine Krankheit oder eine körperliche Einschränkung uns näher zu uns selbst führen können. Denn wir müssen uns zwangsläufig fragen: Wer bin ich und was macht mich aus? Natürlich kommen die Menschen hier an harte Grenzen, denn viel definiert sich in unserer Gesellschaft über Leistung. Und diese können sie eventuell nicht mehr bringen. Doch die meisten entdecken dann die anderen Seiten des Lebens. Sie beginnen, andere Kompetenzen auszubauen. Und am Schluss beobachte ich immer, dass die Betroffenen wieder gleich viel machen wie vorher. Sie müssen dazu aber ihre Interessen und ihre Wirkungsfelder verlagern. Dies sind meist schmerzhafte Verlagerungen. Die ungewollten  Veränderungen sind ganz und gar nicht einfach. Nichtsdestotrotz bergen auch sie ihre Chancen.

Stichwort Burnout: Auch ein Phänomen unserer Leistungsgesellschaft, das viele Menschen zu einer unangenehmen Kehrtwende zwingt…
Das ist ein Problem, das wir als Gesellschaft viel ernster nehmen sollten! Es ist der Moment, wo der Körper zusammenbricht, weil seine Energiereserven aufgebraucht sind. Meist, weil sich die Menschen unter Druck setzen und nicht selbst merken, dass sie in eine Sackgasse laufen. Es ist gut, wenn der Körper dann sagt: «Stopp! Ändere die Richtung, hier kommst du nicht durch!» Oft müssen die Menschen in so einem Augenblick komplett über die Bücher. Denn sie spüren sich nicht mehr – weder ihren Körper noch ihre Seele. Aber auch das ist eine Chance. Auch das der Augenblick, um neue Kompetenzen uud Strategien zu entwickeln.

Was ist der grösste Fehler, den ich machen kann, wenn ich merke, dass ich in einer Sackgasse stecke?
Der grösste Fehler wäre es, aufzuhören nach einer Lösung zu suchen. Resignation ist immer falsch. Ich habe dazu folgenden Leitspruch: Am Ende ist immer alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es einfach noch nicht das Ende! Und noch etwas: Wenn man den Impuls zu einer Veränderung spürt, dann sollte man sich immer treu bleiben.

Forrest Gump sagt: «Life is a Box of Chocolates.» Wir wissen nie, was passiert und wie die Praline, die wir als nächste kosten, schmeckt…
Genau! Aber man kann ja auch einfach ein wenig davon abbeissen und sie wieder zurücklegen, wenn man sie nicht mag. Ich glaube, dass jede Praline, die wir in einem bestimmten Moment wählen, richtig ist. Weil wir genau dann Lust auf sie gehabt haben. Vielleicht verleidet sie uns aber irgendwann – dann wechseln wir eben von Marzipan auf Mokka! Wichtig ist: Man darf verschiedene Geschmäcker haben im Verlauf seines Lebens. Mein Ziel wäre es darum, bis zum Ende die ganze Box ratzeputze aufgegessen zu haben. Sodass ich, wenn ich auf dem Totenbett liege, sagen kann: «Ich habe mein Leben bis zur letzten Schoggi-Truffe ausgekostet!» Und ich werde froh sein, auch die gekostet zu haben, die mir nicht geschmeckt haben.

Das Interview erschien in unserem Magazin 50plus im Juni 2015. In der Ausgabe vom Oktober 2015 werden wir das Thema Neuanfang beleuchten.