Zwei Drittel der berufstätigen Best Agers verdrängen ihre Zukunft

67% der berufstätigen Best Agers (50 – 65 Jahre) haben sich bisher noch kaum Gedanken über die Zeit nach der Pensionierung gemacht, so das Ergebnis der aktuellen Silver Living Studie „Die Bedürfniswelt der Best Agers“. „Nur rund ein Drittel der Best Agers (32%), die noch nicht in Pension sind, hat sich einigermassen intensiv mit der Zukunft im Ruhestand auseinandergesetzt“, erklärt DDr. Paul Eiselsberg, Senior Research Director von IMAS International, der die Studie wissenschaftlich geleitet hat. „De facto verdrängen also rund zwei Drittel der berufstätigen Best Agers den letzten Lebensabschnitt“.

schlafen2Best Agers sind gefordert nicht zu verdrängen
„Wir erleben einen vorhersagbaren demografischen Ausnahmezustand, weil bis Ende 2030 mehr als drei Millionen ÖsterreicherInnen den 60. Geburtstag hinter sich haben werden und die Anzahl der Hochbetagten noch dynamischer wächst“, konstatiert Walter Eichinger, Geschäftsführer Silver Living, dem Marktführer für Betreutes Wohnen in Österreich. „Die Best Agers sollten schleunigst über ihre Zukunft nachdenken. Denn sonst werden leider viele den Punkt verpassen, an dem sie noch selbst entscheiden können, wie sie ihren Lebensabend verbringen wollen. Die schlechteste Alternative ist nichts zu tun und darauf zu vertrauen, dass sich schon alles irgendwie ergeben wird.“ Ein Grund für die Passivität in dieser Altersgruppe sei, dass bei den Best Agers eine sehr hohe Zufriedenheit mit der aktuellen Lebenssituation vorhanden ist. Und man vertraut darauf, dass sich daran auch im höheren Alter nichts ändern wird. Ebenso müssten die Verantwortlichen der Länder einmal Klartext sprechen, aber offensichtlich sind diese mit der Problemflut überfordert.

Es fehlt die Vorstellung, wie man in Würde altert
„Grundsätzlich meint Verdrängung, dass Gedanken und Gefühle, die besonders unangenehm sind und drohen, uns zu überfordern, nicht wahrgenommen werden“, erläutert Prim. Dr. Kurosch Yazdi Vorstand Klinik für Psychiatrie am Kepler Universitätsklinikum.

„Insofern stellt Verdrängung einen Schutzmechanismus dar, um kurzfristig das Funktionieren der Psyche zu stabilisieren. Derartige Schutzmechanismen nennt man Abwehrmechanismen und Verdrängen ist einer davon. Dass die Menschen älter werden und irgendwann (hoffentlich) alt sein werden, ist etwas Natürliches und sollte uns eigentlich nicht überfordern.“ Denn kulturell sollten wir uns so entwickelt haben, dass wir als Individuen und als Gesellschaft damit umgehen können. Yazdi weiter: „Die Tatsache, dass viele Menschen zwischen 50 und 65 Jahren sich kaum Gedanken über ihr Leben im Alter machen, zeigt aber, dass dieses Thema angstbesetzt oder zumindest äusserst unangenehm ist.“ Der Psychiater geht davon aus, dass das Altern „verdrängt“ werde, weil eine Vorstellung fehle, wie in Würde gealtert werden kann.

Individuum, Familie und Gesellschaft sind überfordert

Yazdi differenziert zwischen drei Ebenen in der Überforderung:

1. Das Individuum:
Auf der Seite des Individuums besteht die berechtigte Sorge, dass mit dem Altern körperliche und geistige Gebrechen im Sinne von Erkrankungen dazu führen könnten, dass man in seiner Selbstwirksamkeit deutlich eingeschränkt wird. Für viele Menschen ist aber das Gefühl von Selbstwirksamkeit sehr stark mit Selbstvertrauen und auch Sinnfindung verbunden. Es ist also nachvollziehbar, dass der Gedanke, durch Krankheit ans Bett gefesselt zu sein oder sich nicht mehr erinnern zu können (bei Demenz) dazu verführt, sich gar nicht mehr mit dem Thema Altern zu beschäftigen.

2. Die Familie:
Früher konnten sich die meisten Menschen darauf verlassen, dass sie im Familienverband alt werden. Aber heute haben die meisten Familien nur noch 1 bis 2 Kinder. Und ein Kind kann sich nicht um zwei alternde Menschen kümmern und nebenbei noch berufstätig sein oder eigene Kinder grossziehen. Dadurch entsteht der Eindruck, als würden die Alten ihrer Familie zur Last fallen. Die Jungen verdrängen die Zukunft Ihrer Eltern, weil sie sich mit der Betreuung und Pflege zuhause überfordert sehen. Die Eltern verdrängen ihre eigene Zukunft, weil sie nicht zur Last fallen wollen, aber ihre Vorstellung vom Altern auch nicht kompatibel ist mit einem Alterspflegeheim.

3. Die Gesellschaft:
Auf der gesellschaftlichen Ebene ist nur jung und sexy ein Thema. Der alternde Mensch soll bitte gefälligst möglichst jung tun: er soll körperlich fit sein, voller Freude und Motivation, leistungsfähig, mit moderner Technik und sozialen Medien umgehen können, sich jugendlich anziehen und dank Viagra auch noch Sex haben. „Dass für manche ältere Menschen all das tatsächlich möglich ist, ist wunderbar“, sagt Yazdi. „Aber die vielen, die mit diesen Leistungsansprüchen nicht mithalten können, werden nicht gerne gesehen, weil sie die Gesellschaft schmerzvoll an ihre überzogenen Ansprüche erinnern.“ Somit verdränge die Gesellschaft die Probleme, die mit dem Altern verbunden sein können.

Yazdi ergänzend: „Leider wird gerade durch die individuelle, familiäre und gesellschaftliche Verdrängung das Problem erst recht schlimmer: Viele Menschen treffen nicht rechtzeitig Vorkehrungen, um im Alter ein gesichertes und auch sinnerfülltes Leben haben zu können. Damit wird die Lebensqualität im Alter weitgehend dem Zufall überlassen. Manchmal kommt es aber zu einem point of no return, wenn z.B. der Lungenkrebs ausgebrochen ist, weil nicht rechtzeitig daran gedacht wurde, mit dem Rauchen aufzuhören“. Zudem sei das Altern ein grosses Thema in den Medien. Aber dabei geht es fast immer nur um das Jungbleiben im Alter, was absurd ist. „Eigentlich sollten wir uns Gedanken machen um die Absicherung unserer körperlichen und psychosozialen Gesundheit, die neben Sport und Ernährung auch familiäre und finanzielle Themen sowie das Wohnen und die Betreuung/Pflege im Alter einschliesst“, erklärt Yazdi.

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