Wanderung der Superlative: hochalpine Bergwelten, verträumte Bergseen und mäandernde Bächlein, atemberaubende Gletscherschau und verheissungsvolle Fernsicht. Wow!

von Karin Breyer

In Fiesch, im Alpenkessel des oberen Rhonetals gelegen, heisst es: Einsteigen in die Gondel! Bequem schweben Sie hinauf zur Fiescheralp und weiter zur knapp 3000 Meter hochgelegenen Bergstation Eggishorn, wo Ihnen gleich eine frische Brise Alpenluft entgegenweht. Wie atemberaubend, die 360-Grad-Sicht auf schneebemützte Viertausender! Aus der Tiefe fasziniert ein elegant geschwungener Eisstrom: der Grosse Aletschgletscher, UNESCO-Weltnaturerbe und Titan unter den Alpengletschern, 23 Kilometer lang. Von seinem Nährgebiet im Norden (Jungfrau, Mönch, Grosses Fiescherhorn) bis zum Inner- Aletsch kann der längste Gletscher der Alpen überschaut werden. Olmenhorn, Aletschhorn, Schinhorn imponieren im Norden; im Westen ragen Matterhorn,  Weisshorn, Montblanc gen Himmel, während sich im Osten Strahlhorn, Finsteraarhorn, Wannenhorn erheben.

Sie folgen bei der Bergstation der Markierung Tälligrat, Märjela, Gletscherstube: Unterhalb der Horli-Hitta befindet sich der Einstieg in den Bergwanderweg, der immer wieder Trittsicherheit und vor allem Achtsamkeit erfordert und ein wenig Kondition. Erst einmal heisst es, Abschied nehmen vom Aletsch, der aber nach einer  Weile umso imposanter in Erscheinung tritt.

Auf zur Gletscherstube

Über die Ostwand des Eggishorns erfolgt in grossen Kehren der Abstieg durch eine wilde Urlandschaft – stets den weiss-rot-weissen Bergwanderweg-Markierungen nach, Richtung Tälligrat. Sturzblöcke und Gneisfelsen liegen herum, es ist ein einziger Genuss, das Felslabyrinth zu durchstreifen. Vor Ihnen schier unendliche Weite und eine grandiose Bergwelt, majestätisch erheben sich Fieschergletscher, Finsteraarhorn und Wasenhorn. Am Tälligrat geht’s dann beschwingt über Stock und Stein den sonnendurchfluteten Hang abwärts – in nur einer halben Stunde erreichen Sie den Berggasthof Gletscherstube, direkt am verträumten Vordersee gelegen. Der ideale Zeitpunkt, etwas Leckeres zu essen und zu trinken und sich vom Zauber der Landschaft berühren zu lassen.

Malerisches Märjelatal

Weiter gehtʼs Richtung Roti Chumme, Bettmeralp, zunächst völlig anstrengungslos durch einen Talboden aus hartem Gneisgestein und weichem Wasser. Hier, auf dem ehemaligen Grund des Märjelensees, hat sich eine reizende Moorlandschaft gebildet. Kleine Tümpel und glucksende Bächlein durchziehen die Ebene. Rauer Schutt und Geröll konkurrieren mit den sanften Quellfluren. Dazwischen wogen zarte Wollgräser und rostrote Seggen im Wind. Wer mag, macht knapp 20 Minuten nach der Gletscherstube einen kurzen Abstecher direkt zum Rand des Gletschers – und setzt die Füsse aufs Eis. Welch schaurigschönes Erlebnis! Schon bald führt ein kühner Weg über Steintreppen und -platten hinauf durch eine wilde Felslandschaft.

Spektakulär: Panoramaweg oberhalb des Aletschgletschers

Endlich öffnet sich das Tor zum Aletschgletscher! Eine urgewaltige Arena aus ewigem Eis ruht in der Tiefe; bis zum Jungfraumassiv, wo das Spektakel seinen Anfang nimmt, kann man blicken. Fasziniert scannt das Auge die Eisbahn, die typischerweise von zwei dunklen Streifen aus Schutt und Geröll begleitet wird, den sogenannten Mittelmoränen. Rund zwei Stunden wandern und staunen Sie auf dem Gratweg am Rande des Gletschers. Dem Alltag völlig entrückt, so fühlt man sich auf der attraktivsten «Fussgängerzone» der Alpen. Ein wogendes, erstarrtes Meer, von menschlicher Hand unberührt, liegt Ihnen zu Füssen, aufragende Bergriesen scheinen zum Greifen nah. Senkrechte Wände ziehen sich linker Hand in die Höhe, während rechts die Felsen rasant abfallen – aber daran gewöhnt man sich schnell…

In Roti Chumme halten Sie sich Richtung Biel, Bettmeralp, hier ändert sich der Landschaftsraum, zunehmend breiten sich Grasflächen aus. Bleiben Sie auf dem Höhenweg (Biel, Bettmeralp), der stets aufs Neue mit markanten Felsen, Gipfeln und Naturschönheiten imponiert: auf Steinen und Treppen und schmalen Pfaden, rauf und runter, ganz in Fühlung mit dem Eisstrom.

Am Punkt 2278 zweigen Sie ab zur Bettmeralp/Seilbahn, ebenso am Punkt 2290; nur noch eine Stunde dauert der Abstieg vom nahen Biel zur Bettmeralp. Jetzt heisst es, Abschied nehmen vom Grossen Aletschgletscher…

Lockruf Bettmeralp

Ab Biel geht es nur noch bergab, auf schmalem, erdigbraunem Bergwanderweg, durch eine buckligkarge Alpwiese, immer Richtung Bettmeralp. Mit Traumblicken. Krönender Abschluss: die Kulisse der Walliser Alpen mit Matterhorn, Nadelhorn, Fletschhorn, Dom, Weisshorn u. a. Eine Weile schon glitzert in der Mulde der kristallklare Bettmersee: Ein perfekter Ort, in aller Stille den Tag ausklingen zu lassen. In nur einer  Viertelstunde erreichen Sie Bettmeralp. Der Weg zur Luftseilbahn führt quer durchs autofreie Dorf mit den typisch Walliser Häusern, Chalets und Gaststätten. Welch Atmosphäre, hier auf dem Sonnenbalkon. Bevor es runter ins Tal nach Betten geht, sollten Sie noch einkehren, die Stille geniessen. Oder Sie entscheiden sich spontan, oben auf 2000 Meter Höhe noch eine Nacht zu verbringen, Unterkünfte gibt es zuhauf.

Route

Fiesch (1050 m ü.M.)–Luftseilbahn zur Bergstation Eggishorn (2893 m ü.M.)–Tälligrat (2610 m ü.M.)–Märjela Gletscherstube (2373 m ü.M.)–Roti Chumme (2369 m ü.M.)–Biel (2285 m ü.M.)– Bettmersee (2006 m ü.M.)– Bettmeralp (1957 m ü.M.)

Wanderzeit

5 Std.; Wegstrecke: 14 km; Anreise: Mit dem Zug von Visp nach Fiesch; Rückreise: Von Bettmeralp mit der Gondel nach Betten (Talstation), weiter mit dem Zug nach Visp